KMU im Netz: Zwischen Potenzial und Stillstand

Montag, 14. April 2025 | 0 2

Die Digitalisierung Deutschlands ist nicht erst seit gestern ein Thema, aber was bedeutet das überhaupt? Der Netzausbau zur flächendeckenden Bereitstellung von Breitband-Internet spielt eine Rolle. Eine schnelle Verbindung bringt jedoch wenig, wenn die Endpunkte fehlen. Mit fehlenden Endpunkten meine ich Unternehmen, Schulen, Einrichtungen, Vereine und Behörden die entweder gar keine Webseite haben, oder eine betreiben, die statische Inhalte über veraltete Standards abbildet.

Es gibt auch positive Beispiele, keine Frage, trotzdem fühlt es sich so an, als würde noch eine menge Potenzial liegen gelassen. Ich bin nicht nur beruflich viel im Internet unterwegs, ich recherchiere viel zu unterschiedlichen Themen und meide dabei soziale Netzwerke. Ich mag das Oldschool Internet und feiere den Gedanken, dass theoretisch Jeder seine Ansichten, Erfahrungen, Dienstleistungen oder Produkte, über eine eigene Plattform, weltweit anbieten und teilen kann.

Die Einstiegs-Hürde hängt so tief wie nie und das Angebot war nie größer. Was ist dann das Problem? Gibt es überhaupt ein Problem, oder bilde ich mir das nur ein? Ich bin dem ganzen nachgegangen und habe mich bei meiner Recherche auf Klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Deutschland konzentriert. Ich hab einige, für mich, Interessante Dinge herausgefunden.

Unternehmensanzahl und Größe

Über 99 % aller Unternehmen in Deutschland sind kleine oder mittlere Betriebe . Das entspricht insgesamt rund 3,4 Millionen Unternehmen (Stand 2022) . Die offizielle EU-Definition unterteilt KMU nach Mitarbeiterzahl und Jahresumsatz in Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen . Nach dieser Definition ergibt sich folgende Struktur:

Unternehmensgröße

Defitnition (Mitarbeiter / Jahresumsatz)

Anteil an allen Unternehmen

Absolute Anzahl

Kleinstunternehmen

bis 9 / bis 2 Mio. €

84,9 %

~2,90 Mio.

Kleine Unternehmen

10 - 49 / bis 10 Mio. €

11,7 %

~0,40 Mio.

Mittlere Unternehmen

50 - 249 / bis 50 Mio. €

2,7 %

~0,09 Mio.

Summe KMU

99,2 %

~3,41 Mio.

Großunternehmen

> 250 Beschäftigte / > 50 Mio. €

< 1%

~30 Tsd.

Die überwiegende Mehrheit der Firmen sind also Kleinbetriebe. Konkret 82 % der mittelständischen Unternehmen erzielten 2023 einen Jahresumsatz von höchstens 1 Mio. € (und 81 % beschäftigten weniger als 5 Personen) . Nur 0,5 % der Mittelständler erreichen Umsätze über 50 Mio. € – diese würden bereits als Großunternehmen gelten.kfw.de IFW-BONN.ORG

Branchenfokus

Der Großteil der deutschen KMU ist im Dienstleistungssektor tätig. Über drei Viertel (77 %) aller KMU entfallen auf Dienstleistungsbranchen. Innerhalb dieses Sektors stellen insbesondere unternehmensnahe Dienstleistungen (z. B. Beratungs-, IT- oder Forschungsdienstleister) mit 32 % aller KMU den größten Anteil.

Demgegenüber sind nur rund 23 % der KMU im produzierenden Gewerbe (inklusive Industrie, Bau, Handwerk und Handel) angesiedelt. Insbesondere das Verarbeitende Gewerbe (Industrie) macht lediglich etwa 5 % der KMU aus . Somit entfällt knapp ein Fünftel der kleinen und mittleren Betriebe auf die Herstellung von physischen Produkten, während gut vier Fünftel primär Dienstleistungen anbieten. Der Mittelstand in Deutschland ist somit stark dienstleistungsorientiert.kfw.de

Webauftritt der Unternehmen

Die Mehrheit der KMU verfügt mittlerweile über einen eigenen Webauftritt – jedoch längst nicht alle. Laut Statistischem Bundesamt hatten 2023 erst etwa 69 % der Unternehmen (inkl. KMU) eine eigene Website. Ähnliche Werte wurden bereits 2016 beobachtet (rund 70 % hatten eine Website), was zeigt, dass noch immer fast ein Drittel der Firmen keine eigene Online-Präsenz besitzt.

Besonders Kleinstunternehmen hinken hinterher: In der Größenklasse bis 9 Mitarbeiter verfügten nur ca. 69 % über eine Website . Mit steigender Unternehmensgröße nimmt der Online-Auftritt jedoch deutlich zu – insgesamt 86 % der KMU (bis 249 Beschäftigte) hatten einer Erhebung 2017 zufolge eine Firmenwebsite, während bei Großunternehmen nahezu 100 % online präsent sind. DE.STATISTA.Com website.butler.de

Zustand der Websites

Viele KMU-Webseiten basieren auf veralteten Technologien oder werden nur eingeschränkt gepflegt, was zu Modernisierungsbedarf führt. Eine umfangreiche Untersuchung von 190.000 KMU-Websites (2018) ergab, dass 95 % dieser Seiten Optimierungspotenzial aufweisen . Typische Defizite sind:

  • Kein responsives Design: Nur 65 % der untersuchten Websites waren für Mobilgeräte optimiert – über ein Drittel ist auf Smartphones/Tablets nur schlecht nutzbar. Ältere Webseiten verwendeten teils noch überholte Elemente (z. B. Intro-Animationen in Flash), die auf modernen Geräten gar nicht mehr abgespielt werden können.
  • Veralteter/statischer Inhalt: Bei 42 % der KMU-Websites wurde mindestens ein Jahr lang kein Update mehr vorgenommen. Solche Seiten fungieren eher als statische „Visitenkarten“ und enthalten oft überholte Informationen.
  • Fehlende SEO-Grundlagen: Nicht einmal die Hälfte der Sites verfügt über eine Sitemap für Suchmaschinen (nur 48 % haben eine solche Seitenübersicht). Zudem waren Meta-Titel und -Beschreibungen häufig unzureichend gepflegt.
  • Sicherheitslücken: 43 % der untersuchten KMU-Websites liefen 2018 ohne SSL-Verschlüsselung (kein https:// in der URL). Dies stellt ein Sicherheitsrisiko dar und wird von Suchmaschinen im Ranking negativ bewertet.
  • Fehlende moderne Features: Online-Verkaufsfunktionen sind selten – nur 5 % der KMU-Webseiten von Händlern boten einen Online-Shop an . Auch multimediale Inhalte werden kaum genutzt: 92 % der KMU-Websites verzichteten komplett auf Videos , obwohl diese die Sichtbarkeit erhöhen könnten.

Die Punkte zeigen, dass ein großer Teil der KMU-Webauftritte technisch und inhaltlich verbesserungsfähig ist. Viele kleine Firmen schöpfen die Möglichkeiten einer modernen Website noch nicht voll aus. Durch Investitionen in den Webauftritt – z.B. Relaunch mit aktuellem CMS, responsivem Layout und Sicherheitsstandards – könnten diese Unternehmen ihre Sichtbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit deutlich steigern.innotag.de marketing-4-kmu.com

Veraltete Systeme

Angesichts der Befunde – fast die Hälfte der KMU-Websites wird nicht regelmäßig aktualisiert und viele nutzen veraltete Technik – besteht erheblicher Modernisierungsbedarf. Eine Migration auf aktuelle Webtechnologien (neuere CMS-Versionen, sichere Plugins, mobile-freundliche Themes) ist für viele KMU empfehlenswert, um die Effizienz ihrer Websites zu steigern.

Der Bedarf ist also da und das Angebot stimmt auch, aber…

Warum zögern deutsche KMU bei der Digitalisierung?

Kosten- und Investitionsrisiko

50 % der KMU nennen hohe Kosten als größtes Hemmnis bei der Digitalisierung. Viele KMU haben nur begrenzte finanzielle Mittel oder sind sehr vorsichtig mit Investitionen, da sie langfristig stabil wirtschaften müssen (besonders im Handwerk oder bei Familienbetrieben). Zudem fehlen oft konkrete ROI-Erwartungen: Man weiß nicht genau, ob sich digitale Investitionen auszahlen – oder wann.

Zeitmangel und Ressourcenknappheit

48 % der Unternehmen geben an, keine Zeit für Digitalprojekte zu haben. In kleinen Betrieben ist oft keine eigene IT-Abteilung vorhanden – Digitalisierung müsste “nebenbei” laufen. Manchmal fehlt schlicht das Personal: Die Chefin oder der Geschäftsführer machen bereits Vertrieb, Buchhaltung, Kundenkontakt etc.

Komplexität und fehlende Expertise

Viele KMU haben keinen Überblick über digitale Möglichkeiten, Tools oder Technologien. Es fehlt oft an strategischer Digital-Kompetenz: Womit anfangen? Welche Lösungen passen wirklich? Wie verändert sich das Geschäftsmodell? Auch technische Fachkräfte sind schwer zu finden – insbesondere in ländlichen Regionen.

Datenschutz und rechtliche Unsicherheit

41 % der KMU äußern Datenschutzbedenken. Die DSGVO wird als aufwendig und abschreckend wahrgenommen, besonders wenn keine internen Juristen oder Datenschutzbeauftragten vorhanden sind. Angst vor Abmahnungen, Datenlecks oder rechtlichen Konsequenzen hält viele Unternehmen zurück.

Geringer subjektiver Digital-Druck

Nur 48 % der deutschen KMU sehen Digitalisierung als notwendig an, um wettbewerbsfähig zu bleiben – in anderen EU-Ländern liegt der Wert bei über 54 %. Viele KMU sagen: „Unsere Kunden kommen sowieso aus der Region“ oder „Wir haben immer so gearbeitet – das funktioniert“.Fehlende Konkurrenz oder fehlender Kundendruck führt zu Trägheit („Warum sollten wir etwas ändern?“).

Bürokratische und regulatorische Hürden

In Deutschland ist die Umsetzung von Förderprogrammen oft bürokratisch und schwer zugänglich. Selbst Programme wie „Digital Jetzt“ oder „go-digital“ sind komplex zu beantragen, was viele Unternehmen abschreckt. Auch fehlende Standardisierung (z. B. bei Schnittstellen oder Zertifizierungen) erschwert die Umsetzung.

Kulturelle Faktoren

Viele deutsche Mittelständler sind sehr sicherheitsorientiert, planen langfristig und vermeiden unnötige Risiken. Die Mentalität ist oft: „Lieber nichts machen, als etwas falsch machen“.bitkom.org kfw.de dihk.de

Fazit

Die Technologie ist längst da. Leistungsstarke Open-Source-Frameworks, günstige Cloud-Infrastruktur und eine Fülle an Tools machen es heute einfacher denn je, digitale Lösungen umzusetzen – auch mit kleinem Budget. Wer will, kann direkt mit Plattformen wie Azure, AWS oder GCP arbeiten, ohne teure Zwischenlösungen in Form von SaaS- oder PaaS-Angeboten nutzen zu müssen. Es gibt also kein grundsätzliches Technologieproblem. Das eigentliche Hindernis liegt woanders: im fehlenden Know-how, im Mangel an bezahlbaren Service-Angeboten und in der Unsicherheit, wie man Digitalisierung konkret angeht.

Gerade für KMU wäre es wichtig, hier nicht länger zu zögern. Denn Sichtbarkeit, Effizienz und Zukunftsfähigkeit hängen heute maßgeblich vom digitalen Auftritt ab. Was fehlt, ist eine stärkere Aufklärung, niedrigschwellige Unterstützung – und ein Kulturwandel. Digitalisierung muss kein Großprojekt sein – aber sie muss irgendwo anfangen.

Gleichzeitig liegt auch Verantwortung bei Agenturen, Entwicklern und Dienstleistern. Wer digitale Services anbietet, sollte nicht nur auf Enterprise-Kundschaft schielen, sondern die Bedürfnisse von KMU ernst nehmen. Es braucht realistische Preismodelle, klare Kommunikation und vor allem pragmatische Lösungen, die individuell anpassbar sind – keine überladenen Baukästen oder teuren Komplettpakete, die an der Realität vorbeigehen. Viele kleine Unternehmen brauchen keine hippen Buzzwords, sondern solide, wartbare Systeme, die ihren Alltag erleichtern. Nachhaltigkeit fängt hier bei der Beratung an – mit echtem Interesse am Geschäftsmodell und der Bereitschaft, gemeinsam sinnvolle digitale Grundlagen zu schaffen.

Quellen

Mittelstand ist der Motor der deutschen Wirtschaf | KFW.DE

KfW-Digitalisierungsbericht Mittelstand 2023 | KFW.DE

Unternehmensbestand | IFW-BONN.ORG

Anteil der Unternehmen mit eigener Website in Deutschland | DE.STATISTA.COM

Nutzung einer Website in kleinen und mittelständischen Unternehmen | WEBSITE-BUTLER.DE

Digitalisierung der KMU in Deutschland | IWCONSULT.DE

95% der KMU-Webseiten haben Optimierungsbedarf | INNOTAG.DE

95% der KMU-Internetseiten haben Optimierungsbedarf | MARKETING-4-KMU.COM

Digitalisierung Wirtschaft langsam | BITKOM.ORG

Digitalisierung tritt auf der Stelle | DIHK.DE

Tabellarischer Anhang zur Digitalisierungsumfrage | DIHK.DE

Die Digitalisierung des deutschen Mittelstands | MCKINSEY.COM